Mit der 4.5-Tage-Woche gegen den Fachkräftemangel
Angebot übersteigt Nachfrage
Der seit Jahren herrschende Fachkräftemangel in der Baubranche ist im Oberwallis besonders stark ausgeprägt. Bei vielen handwerklichen Berufen übersteigen die Stellenangebote die Nachfrage durch interessierte Bewerbende; 2020 konnten rund 25 Prozent der freien Lehrstellen nicht besetzt werden. Geschäftsführer Thomas Zeiter von TZ Stromag (Elektrotechnik, kurz Elektro) und Geschäftsleiter Sandro Werlen von Lauber IWISA (Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik, kurz HLKS) nahmen dies zum Anlass, um sich Gedanken zur Steigerung der Attraktivität der Bauberufe zu machen. «Unternehmen müssen für Mitarbeitende attraktiv sein. Wir möchten unsere Rahmenbedingungen so ausbauen, dass sich Fachkräfte angesprochen fühlen und wir unsere Mitarbeitenden langfristig an uns binden können. Dazu gehören neben einer guten Entlöhnung auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, also ein funktionierender Ausgleich zwischen Berufs- und Privatleben. Mit der Einführung einer 4.5-Tage-Woche werden wir diesen Ansprüchen gerecht», meint Thomas Zeiter.
«Wir möchten unsere Rahmenbedingungen so ausbauen, dass sich Fachkräfte angesprochen fühlen und wir unsere Mitarbeitenden langfristig an uns binden können.»
Flexible Arbeitszeiten auf den Baustellen oft ein Fremdwort
Flexible Arbeitszeiten, wie sie die Bürowelt kennt, sind auf den Baustellen häufig schwierig umsetzbar. Dort wird Hand in Hand gearbeitet und die Bauprozesse bzw. die Arbeiten der verschiedenen Gewerke sind zeitlich aufeinander abgestimmt. Je nach Bauprojekt werden die Einsatzplanungen Monate im Voraus gemacht, es gibt wenig Flexibilität und Verschieben geht nur gemeinsam. Das ist für die Handwerker/innen in Bezug auf flexible Arbeitszeiten ein Nachteil, denn für Arzttermine oder dergleichen muss ein halber oder ganzer Tag freigenommen werden. «Dies im Voraus und nur in Absprache mit dem Vorgesetzten. Das ist ein enormer Nachteil gegenüber Büroangestellten, die hier je nach Tätigkeitsbereich einfach mehr Spielraum haben», erläutert Sandro Werlen.
So funktioniert die 4.5 -Tage-Woche
Ein freier Freitagnachmittag klingt auf den ersten Blick verlockend. Wer daraus schliesst, dass diese Stunden den Handwerker/innen geschenkt werden, liegt jedoch falsch. Es ist vielmehr so, dass die Mitarbeitenden dafür von Montag bis Donnerstag täglich 15 Minuten länger arbeiten. Fixe Arbeitszeiten entsprechen auf dem Bau ohnehin nicht der Realität. Daher spielt die 4.5-Tage-Woche den Unternehmern eigentlich in die Karten. Gerade auf Grossbaustellen sei das problemlos umsetzbar, meint Sandro Werlen. Er erklärt: «Falls eine Arbeit dringend fertig werden muss, sind die Mitarbeitenden schon jetzt flexibel genug, um auch mal länger zu arbeiten. Überstunden haben so oder so alle genug. Aber von einer generellen 4.5-Tage-Woche, in der am Freitagnachmittag grundsätzlich nicht gearbeitet wird, profitieren die Mitarbeitenden am meisten. Es liegt in unserem Interesse, dass es zu keinen selbstverschuldeten Bauverzögerungen wegen Personalmangel kommt. Das stellen wir durch eine gute Ressourcenplanung sicher. Der Freitagnachmittag bietet sich auch an, weil dann auf den Baustellen – sofern keine dringenden Arbeiten anstehen – sowieso traditionell früher Feierabend gemacht wird.»
«Falls eine Arbeit dringend fertig werden muss, sind die Mitarbeitenden schon jetzt flexibel genug, um auch mal länger zu arbeiten.»
Win-win Situation
Mit dem Versuch, den Freitagnachmittag freizuhalten, möchten die Unternehmen ihren Mitarbeitenden einen Mehrwert bieten und neue Lernende und Fachkräfte gewinnen. Denn wer will nicht für ein Unternehmen arbeiten, das sich für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzt und solche Modelle freiwillig anbietet?
TZ Stromag und Lauber IWISA haben die 4.5-Tage-Woche im Juni eingeführt. Sie trifft den Nerv der Zeit und geht im Oberwallis um, wie ein Lauffeuer. Laut Werlen steigt damit auch der Druck auf die Handwerksbetriebe, die noch die klassische 5-Tage-Woche anbieten. Für ihn ist klar, dass die grossen Unternehmen hier eine Vorreiterrolle einnehmen und selbst aktiv werden müssen.
Thomas Zeiter und Sandro Werlen freuen sich über den Erfolg ihrer Initiative bei den eigenen Mitarbeitenden. Zu einem markanten Anstieg von Bewerbungen auf vakante (Lehr-)Stellen hat die 4.5-Tage-Woche bisher noch nicht geführt. Die beiden sind aber überzeugt, dass diese Wegbereiterin für weitere Änderungen ist. «Man darf nicht vergessen, auch Teilzeitarbeit ist mittlerweile Realität», so Zeiter, «sei es, um das Familienleben zu managen, für weitere Verpflichtungen neben der Arbeit oder andere Aktivitäten. Vor diesem Trend kann sich auch die Baubranche nicht verschliessen. Zudem werden die Arbeitsprozesse durch das Voranschreiten der Digitalisierung effizienter. Die Einführung flexiblerer Arbeitszeitmodelle, z.B. Teilzeitarbeit, ist somit ohnehin nur eine Frage der Zeit.»
«Wir als Arbeitgeberin versuchen stetig, die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeitenden zu verbessern. Daher begrüssen und unterstützen wir den Vorstoss der beiden Firmen aus dem Oberwallis in Sachen 4.5-Tage-Woche sehr.»
Verkürzte Arbeitswoche gewinnt den diesjährigen Burkhalter Group Award
Die Idee, dem Fachkräftemangel mit der 4.5-Tage-Woche zu begegnen, hat den diesjährigen Burkhalter Group Award gewonnen. Dieser wird im Rahmen des jährlich stattfindenden Treffens der Geschäftsführer/innen und Geschäftsleiter/innen der Burkhalter Gruppe verliehen. Den Anwesenden werden gute Ideen aus den einzelnen Gruppengesellschaften vorgestellt, deren Umsetzung gruppenweit in puncto Mitarbeitende, Umwelt, Effizienz oder Image von Nutzen wäre. Die Teilnehmenden stimmen über die drei besten Ideen, die mit Preisgeldern von CHF 2.500, CHF 5.000 und CHF 7.500 für Mitarbeiteranlässe prämiert werden, ab. Die Mitarbeitenden von TZ Stromag und Lauber IWISA dürfen sich über einen gemeinsamen Anlass im Wert CHF 7.500 freuen.
CEO der Burkhalter Gruppe unterstützt Vorstoss
Die Burkhalter Gruppe unterstützt die beiden Unternehmer in ihrem Vorhaben, die Arbeitgeberattraktivität zu stärken. Zeno Böhm, CEO: «Wir als Arbeitgeberin versuchen stetig, die Arbeitsbedingungen unserer Mitarbeitenden zu verbessern. Daher begrüssen und unterstützen wir den Vorstoss der beiden Firmen aus dem Oberwallis in Sachen 4.5-Tage-Woche sehr. Ob sich dieses Modell durchsetzt und nachhaltig zur Mitarbeiterzufriedenheit sowie zur Gewinnung von Lernenden und Fachkräften beiträgt, wird sich zeigen».